LP Ausgabe 2-2024 Editorial der Chefredakteurin Britta Lübke.

Die Zukunft des Westens entscheidet sich an seinen Universitäten

LP 2/2024 | Noam Petri

Betrachtet man die Debatten über Antisemitismus, so scheint neben den üblichen Fragen, wie zum Beispiel „Welche Formen des Antisemitismus gab es in der Vergangenheit?“, „Mit welcher Form haben wir es heute zu tun ?“ oder „Ist das wirklich Antisemitismus?“, eine wichtige Frage zu fehlen: Was passiert, wenn eine Gesellschaft vom Virus des Antisemitismus befallen worden ist?

Der Antisemitismus kommt selten allein. Er ist nur Mittel zum Zweck. Durch ihn kann man nicht nur Juden zum Sündenbock erklären, sondern gleichzeitig andere Ideologien salonfähig machen. In seinem Buch „Eine andere Jüdische Weltgeschichte“ belegt Prof. Dr. Michael Wolffsohn, dass Gesellschaften meist an Freiheit, Wohlstand und Frieden verlieren, sobald sie vom Virus des Antisemitismus gänzlich befallen worden sind. Der Grund ist nicht die Revanche der „Jüdischen Weltverschwörung“, sondern der Hass, der eine Gesellschaft von innen zerfrisst. An dieser Stelle macht man es sich zu einfach, wenn man den Hass „den Ungebildeten“, „den Armen“ oder „den Abgehängten“ in die Schuhe schiebt. Auch hier können wir von der Geschichte lernen. Denn „die Gebildeten“, „die Reichen“ und „die Etablierten“ können nicht nur vom Hass befallen werden, sondern auch Erfinder des Hasses – in Form einer politischen Ideologie – sein.

Die Zukunft des Westens entscheidet sich an seinen Universitäten

Keine Einzelfälle

Die aktuelle Situation der Universitäten zeigt uns, dass diese sich zunehmend von ihren Idealen entfernen. Graffiti , Plakate, Demos, Camps, Besetzungen und Vandalismus. Es sind keine Einzelfälle, eher Normalität. Was ist es, das wir seit dem 7. Oktober 2023 an Universitäten beobachten?

Das Hamas-Massaker an eben jenem 7. Oktober war weder Grund noch Auslöser für die aktuelle Situation an unseren Universitäten. Schließlich offenbarte es nur das wahre Gesicht einer sich seit langem verbreitenden Bewegung – eine Bewegung, die aus Radikalen und Legitimatoren besteht: Radikale, die seit Jahrzehnten ihre Ziele nicht verheimlichen; Legitimatoren, die seit Jahrzehnten das Gedankengut, die Forderungen und die Taten der Radikalen in den Medien, in der Kulturszene, an den Universitäten, in der Politik ignorieren, kontextualisieren oder rechtfertigen.

Universitätspräsidenten, Journalisten, Politiker fallen genau auf den oben beschriebenen Trick – das Salonfähigmachen anderer Ideologien – rein, wenn sie behaupten, dass diese Studenten sich schließlich nur für einen Waffenstillstand engagieren würden. Ein Blick auf die Aussagen, Statements oder Kooperationspartner zeigt die wahre Ideologie dieser Studenten. Dass an Berliner Universitäten linksextreme Organisationen ihr Unwesen treiben, wurde von einigen Medien aufgegriffen. Doch wussten Sie, dass sich die Organisation Thawra Hamburg – häufig an der Universität Hamburg aktiv – nach der Schließung des Islamischen Zentrum Hamburgs (IZH), dem „bedeutendsten Propagandazentrum Irans in Europa“, „solidarisch an die Seite der Gläubigen des IZH“ stellte? Oder dass die an der Hochschule Fulda aktive Organisation Muslime.fulda Veranstaltungen von Abul Baraa bewirbt, der laut baden-württembergischem Verfassungsschutz eine „Szenegröße des politischen Salafismus“ ist?

Bewegung mit wachsendem Einfluss im Westen

Doch nicht nur Islamisten und ihre Sympathisanten, sondern auch linksextremistische Gruppen schaffen es durch ihren Antisemitismus, den sie durch das Thema Israel versuchen zu verschleiern, an deutschen Universitäten Räume zu erobern. Im Kufiya-Netzwerk organisieren sich laut dem Verfassungsschutz „verschiedene linksextremistische Organisationen mit Gruppen aus dem Bereich des auslandsbezogenen Extremismus und des nicht extremistischen Spektrums“. Zu den Erstunterzeichnern gehört der sozialistische Studentenverband „SDS.Die Linke“ und die in Frankfurt am Main aktiven „Studis gegen rechte Hetze“. Weitere studentische Unterstützer des Kufiya-Netzwerks sind u.a. Students for Palestine Bonn, Darmstadt, Göttingen, Halle/Saale, Leipzig und Stuttgart, Palästina Spricht und Thawra Hamburg.

Wir haben es mit einer widersprüchlichen woke-islamistischen Allianz zu tun, die durch ihren Hass auf den Westen zusammengeschweißt wird. Man kann sich zwar über diese kognitive Dissonanz lustig machen – es wirkt schließlich wie Realsatire, wenn Homosexuelle und selbsterklärte Feministinnen mit Islamisten kooperieren –, doch nichtsdestotrotz meinen es diese Ideologen ernst. Diese Bewegung gewinnt im ganzen Westen immer mehr Studenten und somit an Einfluss auf die Politik der unmittelbaren Zukunft. Machen wir uns nichts vor: Diese Ideologen werden alles daransetzen, den Westen nach ihrem Bild umzubauen.

Hierzu noch einmal das Bundesamt für Verfassungsschutz: „Für dogmatische Linksextremisten ist die Palästinasolidarität ein wesentliches und einander verbindendes Betätigungsfeld. Sie beinhaltet verschiedene Facetten bis hin zu Israelfeindschaft und Antizionismus. Zielgerichtet versuchen dogmatische Linksextremisten, Debatten und Demonstrationen mit Bezug zur Situation im Nahen Osten ideologisch und personell zu durchdringen. Dahinter steht die Absicht, eine Definitionshoheit zu erlangen, die nicht extremistischen Teilnehmenden von Veranstaltungen zu radikalisieren und in einer Frontstellung gegenüber dem demokratischen Verfassungsstaat hierzulande zu vereinen sowie neue Mitglieder zu rekrutieren. Dabei werden immer wieder an sich demokratische und humanitäre Anliegen missbraucht, Kundgebungen diskreditiert, Meinungspluralität ignoriert und gewalttätige Auseinandersetzungen und gesellschaftliche Spaltung provoziert, nur um das Dogma der eigenen Ideologie durchzusetzen.“

Eine wehrhafte Demokratie braucht Mut

Ihr Westen hat also nichts mit unseren Vorstellungen einer westlichen Zivilisation zu tun. Was müssen wir also tun? Leere Worte können wir uns nicht mehr leisten. Mit „wir” sind nicht nur wir Juden gemeint. Es wäre ein Fehler zu glauben, dass es sich hierbei um ein jüdisches Partikularinteresse handelt. Mit „wir“ ist die westlich-aufgeklärte Zivilisation gemeint. Das Problem wächst. Die Debatten bleiben die gleichen. Geschehen ist nichts Wesentliches.

Das Fundament der Freiheit ist eine wehrhafte Demokratie. Eine wehrhafte Demokratie braucht Mut – Mut, den die Ukrainer und Israelis tagtäglich im Kampf um ihre Freiheit zeigen. Wenn wir meinen, eine wehrhafte Demokratie zu sein, dann müssen wir mutig werden. Die Probleme nicht relativieren, sondern benennen. Nicht hinter Schein-Argumenten verstecken, sondern nach Lösungen suchen. Wir müssen anfangen, bei uns für unsere Freiheit zu kämpfen. Es braucht Politiker, die das Problem angehen; Journalisten, die das Problem als Problem darstellen; Studenten, Dozenten und Professoren, die sich aktiv diesen Ideologen an deutschen Universitäten entgegenstellen. Denn die Zukunft des Westens entscheidet sich im Westen — besonders an seinen Universitäten!

Noam Petri

Noam Petri

Noam Petri ist Vizepräsident der Jüdischen Studierendenunion Deutschland und
Vorstandsmitglied der Jungen Liberalen Berlin. Er studiert Humanmedizin an der Charité Berlin.