LP Ausgabe 2-2024 Editorial der Chefredakteurin Britta Lübke.

Südkoreas politische Weichenstellung

Wie der Machtwechsel die Nordkorea-Strategie prägt

LP 2/2024 | Wencke Rynek

Demokratie ist ein kostbares Gut, das mit ihren entsprechenden Wahlen als Gütesiegel funktioniert. Hierzulande ist das freiheitlich demokratische System für viele selbstverständlich und nicht wegzudenken.

Es sind die meist in regelmäßigen Abständen stattfindenden freien Wahlen auf unterschiedlichsten Ebenen, welche eine Demokratie auszeichnen – so auch in Südkorea. Dass in dem ostasiatischen Land Demokratie herrscht, ist jedoch noch nicht lange so. In den Jahren nach der innerkoreanischen Teilung und dem Koreakrieg gaben mehrere Militärdiktaturen den Takt an. Erst um 1998 konnten die Einflüsse zahlreicher Militärfunktionäre auf die südkoreanische Politik eingedämmt werden.

Zuletzt wurden im April diesen Jahres die Parlamentswahlen vorgezogen, um unter anderem ein aktuelles Meinungsbild der südkoreanischen Bevölkerung über ihren amtierenden Präsidenten Yoon Suk-yeol und dessen Regierung einzuholen. 2022 war Yoon Suk-yeol erst als Präsidentschaftskandidat der konservativ ausgerichteten Partei „People Power Party“ (PPP) zum Präsidenten gewählt worden. Er wurde so Nachfolger Moon Jae-ins (2017-2022), welcher der sozial-liberalen „Minju“-Partei angehört.

Südkoreas politische Weichenstellung

Nach der Wahl: Eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten für den Präsidenten

In Südkorea haben die Wahlberechtigten zwei Stimmen, wobei jeweils eine Stimme an einen Direktkandidaten aus dem jeweiligen Wahlkreis und eine an die bevorzugte Partei abgegeben wird. Das Abgeordnetenhaus hat insgesamt 300 Sitze, wovon 254 durch die Wahl der Direktkandidaten und die restlichen 46 Sitze durch das Prinzip des Verhältniswahlrechts auf die Parteien verteilt werden. Der Ausgang der Wahl war für Yoon Suk-yeol und seine konservative Partei wenig erfreulich: Die sozial-liberale Opposition konnte die Mehrheit für sich gewinnen. Dies bedeutete jedoch nicht bloß eine öffentliche Blamage für den amtierenden Präsidenten, sondern schränkt die Partei in ihren gesetzgeberischen Möglichkeiten ein, obwohl sie weiterhin den Präsidenten stellt. Anders als in Deutschland gibt es in Südkorea aktuell keine große Parteienlandschaft. Entscheidungsprozesse konzentrieren sich ganz überwiegend auf die beiden oben genannten Parteien. Da diese nicht selten nahezu gegensätzliche Positionen vertreten, ist eine Kompromissfindung enorm herausfordernd.

Ein prominentes Beispiel immer wiederkehrender Diskussionspunkte ist der Koreakonflikt bzw. die Frage, wie genau man mit dem Nachbarland im Norden umgehen soll. Yoon Suk- yeols sozial-liberaler Vorgänger Moon Jae-in plädierte während seiner Amtszeit für eine Annäherung an Nordkorea. Um dieses Ziel zu erreichen, führte er die sogenannte „Sonnenscheinpolitik“ fort. Diese wurde von dem ehemaligen südkoreanischen Präsidenten Kim Dae-jung (1998-2003) etabliert und besteht vor allem daraus, dass Südkorea sich aktiv um Annäherung bemüht, jedoch ohne militärische Ausschreitungen des Nordens zu akzeptieren. Kim Dae-jung erhielt für diese Doktrin im Jahre 2000 den Friedensnobelpreis. Auch während Moons Präsidentschaft waren die Zeichen zwischen den koreanischen Staaten dank der Sonnenscheinpolitik wieder auf Entspannung gestellt. Diese Periode ging jedoch mit dem Ende von Moons Amtszeit ebenfalls zu Ende.

Härteres Auftreten gegenüber Nordkorea

Die Annäherungsversuche unter Moon Jae-in wurden von vielen Südkoreanern als wirkungslos sowie als eine Steuergeldverschwendung wahrgenommen. Diese Unzufriedenheit dürfte einer der Gründe für den Wahlsieg Yoon Suk-yeols bei der Präsidentschaftswahl 2022 gewesen sein. Dieser hatte nämlich unter anderem damit geworben, Nordkorea gegenüber wieder härter durchgreifen zu wollen und beispielsweise auf Raketentests oder ähnlich provokative Aktionen deutlicher zu reagieren. Dabei zog Joon sogar die Möglichkeit der nuklearen Aufrüstung Südkoreas in Betracht. Generell steht der amtierende Präsident, anders als sein Vorgänger, einem erhöhten Maß an Militarisierung positiv gegenüber und betont, dafür ebenfalls die Beziehungen zu den USA wieder stärken zu wollen.

Das jüngste Wahlergebnis in Südkorea zeigt die Tiefe der politischen Gräben im Land und wie stark die Meinungen, hier am Beispiel des Umgangs mit Nordkorea, auseinandergehen. Die konservative Regierung unter Yoon Suk-yeol steht nun vor der Herausforderung, ihre politischen Ziele mit einem von der Opposition dominierten Parlament durchzusetzen. Dies dürfte nicht nur die innenpolitische Stabilität Südkoreas auf die Probe stellen, sondern auch die Außenpolitik des Landes entscheidend beeinflussen. In einer Zeit, in der geopolitische Spannungen in der Region zunehmen, wird sich zeigen, ob Südkoreas Demokratie in der Lage ist, trotz dieser Herausforderungen handlungsfähig und resilient zu bleiben.

Wencke Ryneck

Wencke Ryneck

Wencke Rynek studiert Koreanistik und Politikwissenschaft im Bachelor an der Eberhard Karls Universität Tübingen, und verbrachte ein Auslandsjahr an der Korea University in Seoul. Ihr Forschungsinteresse bezieht sich vor allem auf den Koreakonflikt sowie die sicherheitspolitischen Strategien in Bezug auf Nordkorea.