Erfahrungsbericht

Dörfer zusammenbringen

„MITEINANDER REDEN“ – das Förder- und Qualifizierungsangebot für politische Bildung in ländlichen Räumen

LP 1/2024 | Anja Ostermann und Monika Stösser
Eine demokratische, resiliente Gesellschaft lebt vom Engagement und der Partizipation ihrer Bürgerinnen und Bürger.

Vor allem in den ländlichen Regionen, in denen funktionierende Daseinsvorsorge und gleichwertige Lebensverhältnisse gegenüber den urbanen Milieus zunehmend kritischer werden, bedingen Destabilisierungserfahrungen sowie soziale und wirtschaftliche Verlustängste zum einen den Wegzug vor allem von jungen Leistungsträgerinnen und -trägern; zum anderen das Erstarken antidemokratischer Einstellungen. Polarisierung und Politikverdrossenheit spalten die Gesellschaft und führen zu Sprachlosigkeit und zum Rückzug in die eigenen Echokammern. Wie kann ein miteinander Reden wertschätzend gelingen, wenn das gegenseitige Zuhören nicht mehr funktioniert? Das Bundesprogramm MITEINANDER REDEN, das seit 2019 mit Förderung der Bundeszentrale für politische Bildung von dem Programmbüro labconcepts umgesetzt wird, fördert kreative Dialogformate und innovative Projekte, die alte oder neue soziale Räume für Begegnung und Austausch in ländlichen Regionen (wieder) einrichten und mit Leben füllen.

In einem bundesweit ausgeschriebenen Ideenwettbewerb können sich Vereine, Initiativen, aber auch Einzelpersonen um eine Förderung bewerben. Eine der Bedingungen: Ihr Dialog-Vorhaben muss in einer Kommune initiiert und realisiert werden, in der maximal 15.000 Einwohnerinnen und Einwohner leben. Gerade dort, wo zivilgesellschaftliche Strukturen nur dünn besetzt sind, leidet der politische Dialog im öffentlichen Raum. Der demokratische Streit ist jedoch Grundlage für ein Zusammenkommen auf Augenhöhe und ein gutes gesellschaftliches Miteinander. Der Fokus der Projekte liegt auf der Organisation unterschiedlichster Gesprächsformate und der Belebung sozialer Räume, in denen das Aushandeln von kontroversen Positionen und Meinungen (wieder) möglich gemacht werden soll.

Orte in ländlichen Räumen sind oftmals von persönlichen Kontakten und engen Nachbarschaften geprägt. Hier finden sich viele motivierte Menschen und Initiativen mit kreativen und niedrigschwelligen Ideen, um Einsamkeit und sozialer Entfremdung, verhärteten Positionen und extremen Vereinnahmungsversuchen im unmittelbaren lokalen Umfeld entgegen zu wirken. MITEINANDER REDEN unterstützt diese Ideen von Beginn bis zur Umsetzung, mittlerweile in der dritten Förderrunde. Entstanden ist so eine vielfältige Projektlandschaft, die Menschen dort erreicht, wo sie etwas bewegen können und wo etablierte politische Bildungsformate schwer Zugang finden. Ebenso vielfältig sind die bisher realisierten Formate, die Anlass zu Gesprächen bieten: Filme, Podcasts, mobile Bühnen, Landfestivals, rollende Begegnungsorte oder Telefonpartnerschaften zwischen Seniorinnen und Senioren sowie Schülerinnen und Schüler sind nur einige Beispiele. Die Förderung durch das Programm basiert auf drei Säulen: der finanziellen Förderung der Projektidee; einer fachlichen Prozessbegleitung und verschiedenen Qualifizierungs- und Vernetzungsangeboten. Der Austausch der Projekte untereinander und eine engmaschige Begleitung bei der Umsetzung, sowie flexible Unterstützung bei der der Abrechnung durch das Programmbüro sind weitere Gelingensfaktoren, die durch das Programm MITEINANDER REDEN gezielt unterstützt werden.

Anja Ostermann (Gesamtprogrammleitung) und Monika Stösser (Programmbüroleitung) sind für die Projektsteuerung, Realisierung und Durchführung des MITEINANDER REDEN-Programms verantwortlich. Dr. Anneli Starzinger koordiniert und leitet.

Anja Ostermann (Gesamtprogrammleitung) und Monika Stösser (Programmbüroleitung) sind für die Projektsteuerung, Realisierung und Durchführung des MITEINANDER REDEN-Programms verantwortlich. Dr. Anneli Starzinger koordiniert und leitet.

Qualitätssicherung durch Prozessbegleitung

 

Für viele Förderprojekte ist die intensive und individuelle Beratung sehr hilfreich, denn die Ideen werden meist ehrenamtlich auf die Beine gestellt. Das Programm möchte damit auch die Selbstwirksamkeit und Selbstkompetenz der Akteurinnen und Akteure vor Ort stärken. Alle Projektträger haben die Möglichkeit, sich von Prozessmoderatorinnen und -moderatoren begleiten und beraten zu lassen. Die Prozessbegleiterin Cornelia Szyskowitz beschreibt zwei wesentliche Aspekte ihrer, wie sie sagt, sehr vielfältigen Arbeit: „Erstens: Optimismus – ich erlebe so viele engagierte Menschen, die sich für die Gemeinschaft in ihrer ganz konkreten

Lebensumgebung einsetzen. Auf sehr unterschiedliche Weise, aber immer an den Werten unserer Demokratie orientiert und immer mit einer ganz großen Portion Mut und Altruismus. Zweitens: Wertschätzung, die durch politische Bildungsangebote erfahrbar gemacht wird. Wir alle wissen, dass es mit der politischen Bildung in der Schule nicht getan ist. Sich für Politik zu interessieren, sich einzubringen, mit Menschen mit anderen politischen Meinungen und mit anderen Generationen zu diskutieren, das ist eine Lebensaufgabe.“

Qualifizierungsangebote und WERKSTATT MR

Von Anfang an gehören Workshops und Qualifizierungsmodule bei den bundesweiten Netzwerktreffen für die Aktiven zum festen und wichtigen Bestandteil der jährlich stattfindenden Veranstaltungen. Denn sich möglichst breit und gut für die unterschiedlichen Aufgaben der Projektarbeit aufzustellen, war und ist bei den wachsenden Herausforderungen immer wichtiger. Während der Covid-Pandemie sind verstärkt digitale Angebote entwickelt worden, u. a. die WERKSTATT MR (https://werkstatt-mr.net). Mit diesem neuen Online-Angebot wurde ein digitales Qualifizierungsangebot gestartet. Zu den fünf Schwerpunktthemen „effizientes Projektmanagement“, „politische Bildung vor Ort“, „wie Kommunikation gelingen kann“, „Impulse zum Thema Ländliche Räume“ und „wie man Debatten führt und Vertrauen bildet“ werden zahlreiche Webinare und Coachings durchgeführt. Diese sind öffentlich zugänglich und eine Teilnahme ist für alle Interessierten kostenfrei.

Das MITEINANDER REDEN-Festival

 

Fünf Jahre, drei Förderrunden mit 300 Projekten, das war die Bilanz im Herbst 2023 und diese wurde mit einem großen Netzwerktreffen in Jena gefeiert. „Voneinander lernen und zusammen feiern“, nicht ohne Grund stand das erste MITEINANDER REDEN-Festival unter diesem Motto. Neben dem Qualifizierungsprogramm, das durch die Träger selber entwickelt worden ist, wurden Podien und informelle Räume zum Diskurs und zur Vernetzung auf dem Festival mit mehr als 200 Teilnehmenden angeboten. Zukunft gestalten, Herausforderungen konstruktiv begegnen, Dialogräume schaffen und Teilhabe für ein demokratisches Miteinander stärken – die Akteurinnen und Akteure von MITEINANDER REDEN machten das auf vielfältige Weise sicht- und greifbar! Oder wie Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, betonte: „Menschen in ländlichen Räumen sind Experten ihrer Themen. Sie haben vielerorts dazu beigetragen, Menschen (wieder) für Politik zu interessieren und brüchig werdende Strukturen ihres lokalen Gemeinwesens mit Impulsen eines gelebten Miteinanders neu zu festigen.“

In den beiden MITEINANDER REDEN-Publikationen: „Worüber wir gesprochen haben“ und „Was gesagt wurde“ erzählen 32 Akteurinnen und Akteure in persönlichen Geschichten von ihren Projekten und Erfahrungen. Neben Erfolgen und positiven Ergebnissen spiegeln sie darin auch Hindernisse und Herausforderungen in der Umsetzung und beschreiben lokale und ihre ganz spezifischen Prozesse. Die beiden Print-Magazine können kostenlos beim Programmbüro bestellt werden.

Informationen zu den 300 Projekten, Podcasts, Comics und Magazin unter: www.miteinanderreden.net.

Anja Ostermann & Monika Stösser

Anja Ostermann (Gesamtprogrammleitung) und Monika Stösser (Programmbüroleitung) sind für die Projektsteuerung, Realisierung und Durchführung des MITEINANDER REDEN-Programms verantwortlich. Dr. Anneli Starzinger koordiniert und leitet.