Blick in die Zukunft
LP 2/2024 | Anna Hommen
Wahlkampf ist nicht mehr dasselbe wie noch vor einigen Jahren. Er hat sich aufgrund der Corona-Pandemie verändert. Auf Hochschulwahlkampf trifft das genauso zu – vielleicht sogar noch mehr. Er konnte sich nicht mehr von der Pandemie erholen. Warum? Das versuche ich in diesem Artikel zu reflektieren. Mein Engagement bei der LHG begann vor der Pandemie und endete danach, womit ich auch während der Pandemie hochschulpolitisch aktiv war. Wie es sich für ein VLA-Mitglied gehört, erzähle ich nun die Geschichten der alten Zeiten.
Begonnen habe ich meine Karriere als Studentin an der Universität zu Köln. Die sonst so friedliche vorweihnachtliche Zeit des Beisammenseins und der Versöhnung wird dort für Wahlkampf genutzt. Den meisten Studierenden ging zu dieser Jahreszeit womöglich eher folgende Gedanken durch den Kopf: „Endlich haben wir Ferien“, „Ich muss noch Geschenke kaufen“ oder „Vielleicht sollte ich mich vor den Feiertagen noch mit meiner Mitbewohnerin versöhnen“. Anstatt diese Mentalität zu teilen, haben wir als LHG mithilfe von Glühwein und Waffeln versucht, Werbung für uns und gegen die Anderen zu machen. Für uns LHGler bedeutete das eine Menge Arbeit, da jeden Tag von 9 bis 17 Uhr Stände besetzt werden sollten, weil Kabel vorher geprüft, Dinge eingekauft und alles vorbereitet werden musste. Wie man sich vorstellen kann, haben diese Wahlkämpfe unglaublich viel Zeit, Nerven und Personenstunden gekostet.
Corona-Skurrilitäten der Hochschulpolitik
2020 und 2021 sah das etwas anders aus. Gerade während winterlicher Lockdowns wäre ein Gespräch bei Glühwein vermutlich genau das richtige gewesen, aber das war nicht möglich. Der Wahlkampf fand online statt und ohne direkten Kontakt zu Studierenden. Dies hatte den Vorteil, dass weniger Helfer und Geld gebraucht wurden. Veranstaltungen zu machen war zwar ab und an möglich, aber wen konnte man ohne viel Präsenz an den Hochschulen und Gesprächen mit Kommilitonen schon davon überzeugen, sich zu engagieren? Haben Sie schon mal versucht, jemandem zu sagen, dass sie sich fürs Studierendenparlament bewerben sollen, während alle Sitzungen online stattfinden? Ich habe selten etwas Komischeres gesehen als Online-Sitzungen des Studierendenparlaments, in dem linke Gruppen sich durch die Anonymität von Zoom gegenseitig beleidigen, dann aber ohne Hose aufstehen – bei angeschalteter Kamera. Mein Highlight war der klägliche Versuch, während einer Zoom-Sitzung von 19 bis 1 Uhr ein Alkoholverbot durchzusetzen. Entsprechend war das Interesse an Hochschulpolitik mau – nicht nur in Köln, sondern an vielen Hochschulen in Deutschland. Einige LHGen mussten ihre Arbeit aufgeben, andere sich in den Dornröschenschlaf begeben.
Nach der Pandemie musste aber weiter Wahlkampf gemacht werden. Einen Wahlkampfstand den ganzen Tag zu besetzen, war unmöglich. Wer einen guten Social-Media-Zuständigen hatte, hatte das große Los gezogen, weil Wähler digital angesprochen werden mussten, da sie weiterhin seltener an der Hochschule als online anzutreffen waren. Die Öffentlichkeitsarbeit wurde professioneller und schicker – in der Hoffnung, nicht nur Wähler anzusprechen, sondern auch neue Mitglieder zu gewinnen, neue LHGen (wieder) zu gründen und alles auf das Vor-Pandemie Niveau zu bringen.
Neustart nach Corona langsamer und mühseliger als erwartet
Funktioniert hat das meiner Meinung nach nicht. Das lag nicht an der Social-Media-Strategie und der ganzen Arbeit die hineingesteckt wurde. Aber wir kommen erstmal nicht mehr zu einer Situation zurück, in der wir Hörsäle mit Gästen füllen, alle Veranstaltungen voll sind und jedes LHG-Mitglied sich begeistert einbringt. Da können weder Social Media noch gute Inhalte etwas dran ändern, sondern nur Geduld in schlechten Zeiten, Wissensvermittlung und -sammlung für die kommenden Generationen sowie Aufbau von Struktur und Professionalität für den Aufschwung in der Zukunft.
Als Liberale Hochschulgruppen sind wir stark beeinflusst vom Ruf der FDP. 2017 lief das super, Christian Lindner hat Studenten in Hörsäle getrieben, schwarz-weiße Videos haben das Internet geflutet und Lindner hat auf Plakaten eine super Figur gemacht. Dadurch haben die LHG sich weiterentwickelt und konnten jahrelang davon zehren. Inzwischen hat die FDP zu kämpfen, was auch in den Liberalen Hochschulgruppen spürbar ist. Deshalb sollten wir uns aktuell weniger Gedanken um die Teilnehmerzahl auf Veranstaltungen machen, sondern uns vorbereiten für das hoffentlich nächste Mal, dass die FDP einen Aufschwung hat.
Wachstum ist wichtig, nur leider gerade unrealistisch und die ehrenamtlichen Ressourcen müssen in die Stärkung unserer Strukturen gesteckt werden. Dabei spielt der VLA eine tragende Rolle. An dieser Stelle wäre es interessant zu hören, wie es 2013 lief oder noch weiter in der Vergangenheit. Wer in der LHG ist, wird sein Studium abschließen und mit diesem Ehrenamt aufhören. Wer im VLA ist, hat solche Situationen bereits gesehen und denkt sich während meines Artikels sicher „So neu ist das alles gar nicht, die Autorin ist noch viel zu jung. Damals zu meiner Zeit…“. Aber genau das ist das Schöne. Hoffentlich lernen wir zusammen und können jetzt, noch mehr als sonst, aufeinander bauen.
Anna Hommen
Anna Hommen studiert Wirtschaftsgeographie, Mobilität und Raumentwicklungspolitik im Master an der Universität Gießen. Seit 2023 ist sie Mitglied im Verband liberaler Akademiker und seit Pfingsten 2024 in dessen Präsidium. Bis Anfang 2024 war sie die Bundesprogrammatikerin der Liberalen Hochschulgruppen (LHG). Während ihres Bachelor-Studiums an der Uni Köln engagierte sie sich bei der LHG Köln und den LHG NRW.