Freiheit beginnt beim ich
von Anna Schneider
LP 2/2024 | Rubens Fabers
Schneiders Buch (4. Auflage erschienen 2022 bei dtv) ist eine polemische Intervention zur Verteidigung des negativen Freiheitsbegriffs. Ihr konfrontativer Stil wird gleich anfangs deutlich: „Freiheit ist Freiheit. So einfach ist das“ heißt es da etwa. Mit Bezugnahme auf Klassiker wie Hayek und Mill wird die negative Freiheit zumindest holzschnittartig ideengeschichtlich hergeleitet. Die beiden mittleren Kapitel bieten dann eine durchaus anregende Positionierung in aktuellen identitätskulturellen Debatten und eine konzise, gerade für deutsche Leser bereichernde, Einführung zum Werk Ayn Rands.
Schwächen des Buches werden allerdings ebenfalls offenbar. In der Abgrenzung zum positiven Freiheitsbegriff heißt es lediglich, dieser nehme die „faktischen Möglichkeiten“ der Freiheitsverwirklichung in den Blick. Muss sich ein Liberaler nicht in irgendeiner Form zu dieser Frage verhalten, möchte er sich nicht dem Vorwurf aussetzen, letztlich nur die Freiheit, unter Brücken zu schlafen, zu verteidigen? Grundsätzlicher ist, dass Schneiders Freiheitsverständnis sich nicht mit irgendeiner Form demokratischer Politik verträgt. Das Streben nach Macht zur verbindlichen Gestaltung der allgemeinen Angelegenheiten kann in Schneiders Konzeption einzig als Freiheitseinschränkung verstanden werden. Das gesteht die Autorin selbst ein, wenn sie sagt, dass liberale Politik quasi ein Widerspruch in sich ist. Hinweise auf die Gefahr der Tyrannei der Mehrheit dürfen in diesem Kontext auch nicht fehlen. Damit ist jeder Kompromiss verdächtig und aktive Politikgestaltung mit liberaler Überzeugung unvereinbar.
Das Gefühl, dass das nicht alles sein kann, was der Liberalismus zur Politik zu sagen hat, verstärkt sich bei einem Blick in Hans Kelsens „Wesen und Wert der Demokratie“ (2. Aufl. 1929, S. 157): „Soll Gesellschaft, soll gar Staat sein (…) dann muss Herrschaft sein. Müssen wir aber beherrscht werden, dann wollen wir nur von uns selbst beherrscht werden.“
Anna Schneider: Freiheit beginnt beim Ich – Liebeserklärung an den Liberalismus.
dtv, 2022, 304 Seiten, 12 EUR
Ruben Fabers
Ruben Fabers studierte in Bonn Rechtswissenschaften und ist dort seit April 2023 Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand bei Prof. Dr. Heiko Sauer am Lehrstuhl für deutsches und europäisches Verfassungs- und Verwaltungsrecht.