Erfahrungsbericht

Sterben gehört zum Leben

Vorbereitung für ehrenamtliche Hospizbegleiter

LP 1/2024 | Isabella Badwal
Und dann gibt es da noch Aussagen wie: „Der Tod – Der Höhepunkt des Lebens“, „Der Tod ist ein schönes Geheimnis“, „Alle wollen in den Himmel, aber keiner will sterben“. Vermutlich auch weil das Thema so mysteriös und „verborgen“ inmitten unseres Lebens ist – trotz der vielen Toten in Filmen und Thrillern – , gibt es Menschen, die sich schon zu Lebzeiten diesem Thema annähern möchten.

Dazu könnte man sich zum Beispiel zur Bundeswehr, zur Polizei oder zum Rettungsdienst melden oder einen medizinischen Beruf ergreifen. Hier ist die Begegnung mit dem Thema Tod wahrscheinlicher als in unserem Alltag. Der Tod ist aus unserem Sichtfeld verbannt, er ist ein unerwünschtes, ein Tabuthema; ganz anders, als in vielen anderen Ländern oder Kulturen, wo der Tod ganz natürlich zum Leben dazugehört.

Ehrenamt Sterbebegleiter

 

Wer sich aber mit dem „Gevatter Tod“ anfreunden möchte, hat die Möglichkeit ein Ehrenamt

zu belegen: Sterbebegleiterin oder Sterbebegleiter. Viele Menschen möchten möglichst bis zum Schluss, in der vertrauten Umgebung bleiben. Durch Beratung und kontinuierliche Begleitung können Betroffene und Angehörige dabei unterstützt werden, diesen Wunsch zu erfüllen. Was bedarf es um Sterbebegleiter bzw. Sterbebegleiterin zu werden? Vor allem Offenheit und Einfühlungsvermögen. Natürlich sind auch gewisse Kommunikationsfähigkeiten, Umgang mit Angehörigen, Fragen zum Verfassen Testaments, Flexibilität in neuen Situationen u. a. grundlegend. Das nötige Wissen kann man sich aber auch mit Hilfe eines Kurses, wie ihn z. B. die Elbdiakonie in Hamburg anbietet, im Rahmen einer Gruppe aneignen. Auch wenn die Diakonie eine christliche Institution ist, wird hier religionsübergreifend gehandelt und steht man allen Religionen oder Atheisten tolerant gegenüber. Der Grundkurs „Sterbende begleiten lernen“ ermöglicht die Auseinandersetzung mit der eigenen Einstellung zu Trauer, Sterben und Tod. Weitere The-men sind: Phasen des Sterbens, Kommunikation mit Sterbenden und deren Angehörigen, Selbstpflege, Rituale in der Sterbebegleitung. In einem begleiteten Praktikum können erste Erfahrungen gesammelt werden. Der anschließende Vertiefungskurs gibt Einblicke in Fachthemen, z. B. Sterben mit dementieller Erkrankung, Bestattungsformen, Vorsorge, Sterben in verschiedenen Kulturen, hilfreiche Handlungen und weitere.

Wer kann Sterbebegleiter werden

Eine gewisse seelische Stabilität und Lebenserfahrung ist hilfreich – sich selbst soweit zu kennen, dass ich spüre und rechtzeitig formulieren kann, wenn eine Situation mich überfordert. Sind alle Sterbebegleiter „alt“? Nein! Auch junge Menschen interessieren sich für diese „Ausnahmesituation“, nicht zuletzt um eigene Ängste zu bewältigen oder um sozial tätig zu werden, aber niemand wird hier ins „kalte Wasser“ geworfen. Es gibt eine umfangreiche Vorbereitung im Rahmen der ca. sechs Monate dauernden Gruppentreffen, die einmal wöchentlich stattfinden, bevor es ins „Praktikum“ geht. Die Gruppe wird von langjährigen Hospizbegleitern bzw. Hospitzbegleiterinnen geleitet, die ihre Erfahrung teilen, Fragen beantworten und Fragen stellen: Welche Verluste waren einschneidend in deinem Leben? Welche Erfahrungen im Umgang mit Sterben, Tod und Trauer habe ich schon gemacht? Wie war diese Situation für mich? Wie habe ich mich gefühlt, wie gehandelt? Was würde ich heute anders machen?angel_pixabay_4277901_1280_bboellinger

Es gibt viele Gründe für ein Ehrenamt als Sterbebegleiter

 

Die Motive der Menschen sind so unterschiedlich wie sie selbst: Von gemachten, positiven Erfahrungen mit anverwandten Sterbenden; dem Wunsch eigene Ängste vor dem Tod durch seine Nähe besser bewältigen zu können; Neugierde; dem Wunsch zu Helfen „Gutes zu Tun“; oder sei es: „Ich arbeite schon Jahre im Büro, ich möchte jetzt etwas Sinnvolleres mit und für Menschen tun“. Tatsächlich gibt es viele Gründe, warum Menschen hier ein Ehrenamt ausüben wollen, manche davon sind sogar ganz praktischer Natur. Denn auch wenn ehrenamtliche Arbeit bedeutet, für seinen Einsatz kein Geld zu erhalten, bekommt man dafür viele andere wertvolle Dinge zurück, z. B. die Chance, Freundschaft zu schließen mit „Gevatter-Tod“. Ehrenamtliches Engagement bietet auch die Chance, Dinge zu bewegen; etwas zum Positiven zu verändern; soziale Verantwortung zu übernehmen; Leben und gesellschaftliche Prozesse mitzugestalten; etwas Sinnvolles tun. Viele Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler schätzen dieses gute Gefühl, ihren Platz gefunden zu haben und nicht nur für sich, sondern auch für andere – für die Gesellschaft – etwas zu tun und die Welt ein Stück besser zu machen.

Einfach mal den eigenen Horizont erweitern

 

Durch ein Ehrenamt lernt man und kann praktische Erfahrungen sammeln: man erweitert seinen Horizont, erwirbt neue Fähigkeiten und Fertigkeiten und erlebt sich selbst in neuen Situationen. Beim Ehrenamt kommt man unter Menschen, knüpft neue Kontakte und kann sich mit anderen Menschen, die gleiche Interessen haben, austauschen. Sich gemeinsam für eine gute Sache einsetzen; an einem Strang ziehen; auch mal diskutieren; zusammenarbeiten und Erfolge feiern: Im Ehrenamt findet man Gleichgesinnte – und oft auch Freunde fürs Leben.

Isabella Badwal

Isabella Badwal

Isabella Badwal lebte nach dem Abitur ein Jahr in Indien, versuchte sich als Taxifahrerin, besaß einen Buchladen und entschied sich dann für eine Ausbildung zur staatl. anerkannten Erzieherin. Daran schlossen sich ein Sozialpädagogik-Studium und verschiedene therapeutische Weiterbildungen an. Seit ihrer Approbation zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin 2007 arbeitet sie in eigener Praxis in Hamburg.