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Rückblick auf unsere Berliner Freistunde zum Libanon mit Sophie Schmid

Selten richten deutsche Reporter ihr Augenmerk auf den Nahen und Mittleren Osten, wenn es nicht mit dem nächsten Krieg, dem nächsten großen Anschlag oder einer anderen Katastrophe zu tun hat. Im Falle des Libanon war dies zuletzt mit dem großen Unglück im Hafen Beiruts im August 2020 der Fall. Erst der drohende Krieg zwischen der libanesischen, pro-iranischen Miliz Hisbollah und Israel rückte den Fokus wieder aus das kleine Land. Hintergründe fallen dabei eher hinten herunter.

Für uns war dies alles Grund genug, uns einmal mehr mit diesem von Syrien, Israel und dem Mittelmeer umgebenen Landstrich, seiner Vielfalt, seinen Krisen und seiner Zukunft auseinanderzusetzen. Eingeladen hatten wir dafür die Arabistin Sophie Schmid. Die Deutsch-Schweizerin ist nicht nur aufgrund ihres Studiums eine Kennerin des Landes. Tiefere Einblicke erhielt sie bei längeren Aufenthalten für Praktika sowie im Rahmen Ihrer beruflichen Tätigkeit für die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Für diese Organisation war sie von 2018 bis 2022 tätig. Inzwischen ist sie an der FU Berlin als Promovendin tätig. Dadurch konnte sie uns profunde Einblicke bei unserer Berliner Freistunde geben.

Der libanesische Bürgerkrieg als Urkatastrophe

Nach einer kurzen Einleitung durch den Gastgeber beleuchtete die Referentin den libanesischen Bürgerkrieg genauer. Sie kam in der Folge auch immer wieder auf ihn zu sprechen. Ein Aufarbeitung dieser quasi Urkatastrophe hat bis heute nicht stattgefunden, obwohl (oder auch weil) jede Familie, egal auf welcher Seite sie stand, betroffen war. Hier hat auch die Hisbollah ihre Wurzeln. Sie sei laut Schmid die einzige Miliz mit Waffen nach dem Bürgerkrieg, denn selbst nach dem Abzug Israels 2000 fand kein Entwaffnung statt. Vielmehr habe die Miliz heute die Kontrolle über das gesamte Land und bestimmt indirekt auch mit, wenn nicht-schiitische Positionen des Proporzsystems besetzt werden.

Alle Proteste seien fehlgeschlagen. Die hoffnungslose wirtschaftliche Lage sowie politische Stagnation treibe die Menschen aus dem Land. „Inzwischen leben mehr Libanesen im Ausland als im Libanon selbst“, unterstrich die Referentin.

Angst vor einem neuem Krieg

Auch wenn der Libanon seit über acht Dekaden unabhängig ist, sieht ihn Schmid bis heute als Spielball äußerer Mächte: Iran, Saudi-Arabien und, tatsächlich immer noch, Frankreich. „Es herrscht eine große Angst im Land vor einem neuen Krieg zwischen der Hisbollah und Israel“, macht Schmid klar.

Doch es sei nicht allein die Hisbollah, hebt Schmid hervor: „Die Korruption ist das nächstgrößere Problem, gleich nach der Machtstellung der Miliz.“ Alles, also wirklich das gesamte Land, sei zwischen den Parteien, vormals Milizen, aufgeteilt. Die Elite sei außerem stark untereinander verflochten und abhängig voneinander – partei- und religionsübergreifend.

Einen kleinen Hoffnungsschimmer sieht Schmid dann doch am Horizont. „Junge, konfessionslose Parteien schnitten verhältnismäßig gut bei den Wahlen 2022 ab. Das lässt hoffen“, beendete Schmid ihre Ausführungen, um sich dann der Diskussion zu stellen.

Kein jüdisches Leben mehr im Libanon

Bei den an die Arabistin gerichteten Fragen ging es dann insbesondere um Schmids sehr persönliche Erfahrungen mit der Hisbollah. Hier macht Schmid keinen Hehl daraus, dass sie zwar nicht körperlich belangt worden sei. Ihre israelischen Kontakte führten aber für großen Unmut und starkes Misstrauen auf der Seite der Miliz. Auch unterstrich sie, dass es so gut wie kein jüdisches Leben mehr im Libanon nach 1948 und besonders seit 1967 und dem Libanesischen Bürgerkrieg gebe, auch wenn die einstige Synagoge in Beirut noch erhalten sei. In Bezug auf Israel hob die Referentin hervor, dass die Hisbollah durchaus realistisch sei. „Dort weiß man um die Härte eines möglichen israelischen Gegenschlags bei einem Angriff auf Israel. Jedoch ist die Miliz deutlich stärker als die Hamas“, führte Schmid auf.

Die abschließenden Fragen drehten sich dann nochmal um das Proporzsystem. Eine Vorbildwirkung konnte Schmid diesem System nicht zuerkennen. Jedweder positiver Effekt, den es ggf. geben könnte, werde durch die Rahmenbedingungen vernichtet, selbst die Mitwirkung konfessionsloser Menschen in der Politik sei nur über das Antreten auf dem ursprünglichen Ticket der religiösen Zugehörigkeit möglich. Mit diesem komplexen Thema der politischen Partizipation im Libanon endete dann auch die Berliner Freistunde.

So ungewiss die Lage in Iran ist, einer Sache war sich die Deutsch-Iranerin Annahita Maghsoodi sicher. „Dieses Regime wird enden. Die Proteste haben eine Reichweite und eine Qualität erreicht, hinter die es kein Zurück mehr gibt“, zeigte sich unsere Referentin überzeugt.

Doch der Reihe nach. Am Abend des 21. Aprils trafen sich Mitglieder und Freunde des VLAs zur Freistunde im Berliner Lokal Walhalla, der Stammkneipe der Berliner VLAler. Im frisch sanierten Lokal begrüßten wir Annahita Maghsoodi aus Osnabrück. Die überzeugte Liberale hatte es zum Studium in die Stadt des Westfälischen Friedens verschlagen, wo sie heute noch lebt.

Zusammen widmeten wir uns der Protestbewegung in Iran, wobei gleich zu Beginn deutlich wurde, dass letztlich seit 2009 die iranische Bevölkerung nicht mehr zu Ruhe kommt. „Die Quantität, die Reichweite und die Themen haben sich allerdings gewandelt“, unterstrich Maghsoodi.

Verfolgung von Regimegegnern in Europa, auch in Deutschland

Sie hob auch den terroristischen Charakter des Regimes hervor, das nicht vor Entführungen im Ausland, vor der Verfolgung von Regimegegnern in Europa, auch in Deutschland, zurückschrickt. Auch sie selbst fühlt sich beobachtet und vermeidet Reisen in die Region. Den Umgang Deutschlands und der EU mit dem Fall des Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd, der in Iran zum Tode verurteilt wurde, kritisiert sie scharf. „Hier erwarte ich mir ein lautstarkes Einschreiten der Bundesregierung und der Europäischen Union. Auch, dass die Revolutionsgarden in Europa noch nicht als Terrororganisation eingestuft sind, ist ein Skandal. Deren Aktivitäten gegen Auslands-Iraner, welche das Regime kritisieren, sind hinlänglich bekannt“, empörte sich die Referentin.

Negativ gestimmt ist sie trotz des immer härter werdenden Drucks nicht. Zwar baue das Regime immer mehr Gefängnis, um Regimegegner einzusperren, dies werde jedoch nicht reichen. Magshoodi erläutert: „Die Iranerinnen und Iraner sehen die Freiheiten, die wir im Westen haben. Immer weniger betrachten sich als religiös. Und selbst die religiösen Landsleute unterstützen oft die Hardliner nicht mehr. Die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen und die Zeit läuft gegen das Regime. Wir werden seinen Sturz noch erleben.“

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